Allergiehalber abzugeben. Oder so.

(Achtung: Der folgende Bericht enthält sarkastische, nicht immer ganz 1:1 ernst zu nehmende Aussagen. Wer einen kynologisch ausgefeilten Text erwartet, wird hier enttäuscht, dafür finden alle sicher ganz viele Unwahrheiten, schlechte Ausreden und vieles mehr. Somit lade ich alle ein, diesen Bericht einfach nicht zu lesen.)

 

Und nun ist es also so weit. Ich könnte den schwarzen Teufel auf den Mond schiessen. Oder mit einem One-Way-Ticket nach Belgien. Oder dorthin wo der Pfeffer wächst. Ist mir eigentlich ziemlich egal. Und ja, ich weiss, ich bin unglaublich unfair. Denn er hat für seine gut sieben Monate einen überdurchschnittlichen Rückruf, er zeigt auffliegende Vögel bereits eingermassen zuverlässig durch Verharren an, wir sind in der Lage, an der Leine durch Menschenmengen zu gehen und und und. Ach ja: Und wie toll er mit mir mitarbeitet! Ja, ich weiss.

ABER: Er treibt mich draussen in Feld und Flur in den Wahnsinn!! Und er zerstört gerade all meine guten Vorsätze; die lösen sich gerade in Scharen in Luft auf oder verwandeln sich in böse Gedanken, die ich mich nicht zu sagen, geschweige denn aufzuschreiben wage. Zugegeben, ein kaputter Rücken, eine schmerzende Schulter und ein Jagdgesetz, das eine dreimonatige Leinenpflicht in Wald und Waldrandnähe verlangt, tragen auch nicht gerade dazu bei, dass ich mit einem Lächeln auf den Lippen unterwegs bin und darauf warte, dass Tschipolin wieder mit Vollgas in die Schleppleine brettert oder wie ein Wahnsinniger mit am Boden angesaugter Nase in die hohe Wiese rasen möchte.

Ja, ich weiss, was jetzt kommt: All die x Tausend HundetrainerInnen, -versteherInnen und was es sonst noch alles gibt, wüssten natürlich, dass Tschipi bei ihnen ganz anders wäre. Und ich höre auch schon all die guten Tipps:

„Es wird besser, das ist nur eine Phase. Clicke ihn ganz viel für erwünschtes Verhalten!“ (Am liebsten würde ich ihm den Clicker...)

„Einmal richtig durchgegriffen und der würde bei mir das Leinenende bis an sein Lebensende akzeptieren und nie mehr reinbrettern! Du musst dir mehr Respekt verschaffen!“ (Aha. Klar. Ist ja eines meiner Hauptprobleme bei meinen Hunden: der Respekt.)

„Ihr müsst gemeinsam auf die Jagd! Du musst dich einfach spannender machen und die Jagd anführen und das nach deinen Regeln!“ (Moment. Ich habe nicht im Sinn, dem eine Dauerbespassung auf dem Spaziergang zu liefern, der soll nicht Nonstop im Arbeitssupergeilmodus laufen und mich anhimmeln.)

„Du bist viel zu schnell vorwärts gegangen, beim Schleppleinen-Training; zuerst muss er das Signal für das Leinenende viel genauer kennen, dann den SSR, dann ein Signal fürs Langsamerwerden, dann... “ (Sorry und was mache ich bis dahin?)

„Ha! Eure Bindung stimmt einfach nicht!“ (Wie einfach ist doch das Leben...)

„Du darfst ihn nicht überfordern und immer nur soviel von ihm verlangen, wie er momentan anbieten kann. Wenn er eine Situation nicht meistern kannst, gehst du einfach schnell da hindurch und übst wieder auf mehr Distanz!“ (Also ich weiss nicht, wie bei euch der Alltag ist. Aber hier wimmelt es von auffliegenden Grünfinken, zeternden Amseln, kreisenden Greifvögeln, einer tieffliegenden Taubenflugshow und einem riesigen, zu Blödsinn aufgelegtem Jungkrähenschwarm... wohin soll ich da Distanz machen?).

„Du musst ihn mehr auf der Nase auslasten, dann wird er automatisch ruhiger.“ (Klar, ich mache ja auch überhaupt keine Nasenarbeit mit ihm. Aber vielleicht müsste ich ihn mal bis ins Koma arbeiten und dann auf dem Spaziergang hinter mir her schleifen...)

 

Gut. Ich höre schon auf. Denn ich weiss, ich bin selber Schuld:

„Du hast ja gewusst, dass es nicht einfach wird mit so einem Hund.“

„Mit Ylva wars ja auch nicht lustig und schau mal, wie toll sie es jetzt macht!“

„Sieh es einfach etwas lockerer, das wird bald besser!“

„Was hast du denn erwartet?“

„Du hast viel zu hohe Ansprüche an dich und den Hund!“

„Wo ist dein Problem? Er macht es doch sooo toll!“

 

Also. Um es nochmals zu erklären; auch ich habe nicht unendlich viel Energie. Weder mental noch körperlich. Und auch meine Impulskontrolle hat irgendwann ein Ende. Ich bin auch nicht auf der Suche nach dem ultimativen Lösungsvorschlag. Denn ja, ich weiss, man könnte alles anders und besser und was weiss ich machen. Und ja, ich weiss auch, dass es irgendwann vorbei geht und besser wird und überhaupt. Und ja, ich wusste, was ich mir ins Haus hole. Und ja, er macht es auch schon ganz gut. ABER: Es ist verdammt anstrengend!! Und manchmal ist auch meine Geduld zu Ende. Und manchmal habe ich schlicht keine Lust mehr auf dieses durchgeknallte, wuslige, wahnsinnige schwarze Etwas und frage mich ernsthaft, warum man sich das antut.

 

Und dann, wenn ich den Arm wieder heben kann, der Rücken nicht mehr ganz so heftig schmerzt und der Zwerg einige Stunden tief in der Kiste geschlafen hat, dann weiss ich, dass es so nicht weitergehen kann. Dass ich eine Lösung brauche, die mich entlastet. Und den kleinen Schwarzen auch. Und Ylva auch. Damit ich mich da nicht in etwas festbeisse, dass dann wirklich auf Kosten unserer Beziehung geht. Und ich kann – für mich im stillen Kämmerlein – auch den einen oder anderen Anspruch etwas tiefer schrauben oder ein bisschen nach hinten schieben, entwerfe einen Plan B für die zukünftigen Spaziergänge und kann wieder Frieden schliessen mit mir und dem Schwarzen. Und dann hole ich den Wahnsinnigen aus seiner Kiste, der wuselt fröhlich um mich herum, klaut eine Socke, rast übers Sofa, hüpft an Ylva hoch und zaubert mir wieder ein leises Lächeln auf die Lippen. Immerhin ein leises Lächeln.

 

Vielleicht komme ich jetzt in Teufels Küche. Weil alle andern immer nur glücklich und zufrieden und konstruktiv und was weiss ich alles mit sich und ihren Hunden sind. Oder man als Hundetrainerin gar nie an diesen Punkt kommen dürfte, weil dann ist man nicht kompetent genug, um andern Ratschläge zu erteilen. Ja. Mag sein. Aber es ist meine Realität und vielleicht findet sich der eine oder die andere auch ein bisschen wieder in den Schilderungen. Denn manchmal habe ich einfach genug davon, dass Hundeerziehung wie ein Hochglanzprospekt daher kommt, in dem alle mit lächelnden Gesichtern mit einem Glas Orangensaft glücklich miteinander sind.

 

Und das Ganze hat auch etwas Gutes; plötzlich verstehe ich die Verzweiflung, die Wut und Hoffnungslosigkeit vieler meiner Kundinnen und Kunden noch um einiges besser. Und ich fühle mich zurückversetzt – als wäre es gestern gewesen – in die Zeit, als Ylva mich an den Rand oder eher in den Abgrund der Verzweiflung getrieben hat.

Ich werde mir ein grosses Schild machen und dauernd vor Augen halten:

PS: Fast hätte ich es vergessen. Eigentlich gibt es nur etwas, das in dieser Phase wirklich hilft: Irgendjemand, der einfach zuhört, keine schlauen Ratschläge erteilt, sondern vielleicht sogar die Grösse hat, selber zuzugeben, dass es nicht immer einfach war mit dem eigenen Hund. Dass man selber auch manchmal rat- und hilflos war.

PPS: Danke an alle, die mich immer mal wieder entlasten, den Zwerg entführen, meine Kids hüten, wenn ich in die Osteopathie muss oder Ylva ein paar ruhige Stunden gönnen.

PPPS: Ja, ich weiss. Eigentlich ist der schwarze Teufel ein genialer Hund. Und er passt wunderbar zu mir (böse Zungen behaupten, deshalb sei er auch so anstrengend).